Site Loader

 

Heute möchte ich mal etwas außerhalb meiner „normalen“ Themen schreiben, oder wie es neudeutsch so schön heißt „off topic“

Immer wieder stelle ich fest, dass ich scheinbar aus einer anderen Zeit stamme. Offensichtlich ist meine Erziehung schon so lange her, dass sich einige grundlegende Änderungen im allgemeinen Verhalten eingeschlichen haben. Ich muss gestehen, diese Veränderungen gefallen mir nicht wirklich.

Versteht mich nicht falsch, eine Gesellschafft entwickelt sich. Sprache verändert sich, Technologien verändern nicht nur unseren Umgang miteinander, sondern sie verändern uns sogar körperlich.

Das verstehe ich und akzeptiere diesen Umstand. Aber es gibt Grundsätze, welche ich für mich als selbstverständlich erachte und ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen diese Grundsätze für sich entdecken, oder vielleicht sogar übernehmen würden.

Ich bezeichne mich als Gentleman, was ich weder an meinem Kontostand, noch an meiner Kleidung festmache. Es bedarf stattdessen einer inneren Grundhaltung.

Leider fällt mir in den letzten Jahren immer stärker auf, dass Egoismus, Rücksichtslosigkeit und schlechtes Benehmen immer mehr zunehmen und Jüngeren suggeriert bekommen, dass dies vollkommen normal ist und möglicherweise für die jungen Männer zum „Mannsein“ gehört.

Nein, ich möchte jetzt weder eine Generationendebatte anstoßen, noch alle jungen Menschen verurteilen. Und erst recht möchte ich hier keine Gleichbrechtigungs- oder Genderdebatte beginnen.

Allerdings würde ich mir wünschen, dass diesen Text ein paar junge Menschen lesen würden und er ihnen ein paar Denkanstöße gibt.

Ich bin ein Mann, ich kann lediglich aus meiner männlichen Sicht schreiben – hier mag sich also jeder die Punkte heraussuchen, die er oder sie für sich annehmen möchte. Und die Punkte ignorieren, die für den/die Einzelne*n uninteressant sind.

Wenn ich hier also über einen Gentleman schreibe, dann schreibe ich darüber ausschließlich aus meiner Sicht, meinem Verständnis und meinen Vorstellungen.

Im Jahre 1788 veröffentlichte Adolph Freiherr Knigge sein wohl berühmtestes Buch „Über den Umgang mit Menschen“. Selbst 235 Jahre nach dessen Erscheinen hat der Inhalt des Buches immer noch Bestand. Lediglich Kleinigkeiten oder modische Grundsätze spielen heute keine Rolle mehr.

Die Grundsätze können jedoch problemlos angepasst werden – und wie ich eingangs schon erwähnte, bedarf es einer gewissen Grundhaltung und nicht eines prall gefüllten Bankkontos oder eines bestimmten modischen Geschmacks, um meine Vorstellung eines Gentlemans umzusetzen.

„Manieren machen uns zu Menschen“

Dieses Filmzitat leitet in dem Actionfilm „Kingsman“ eine Szene ein, in der der Gentleman-Spion den Schlägern eine sehr körperliche Lektion erteilt.

Anders als aus der Sicht Hollywoods beschreibt genau diese Aussage jedoch den Kern eines Gentlemans. Manieren machen uns zu dem, was wir sind. Und deren Fehlen zu Etwas, was zumindest ich nicht sein möchte.

Vor einiger Zeit war ich mit einer jungen Kollegin unterwegs und hielt ihr beim Einsteigen in das Fahrzeug die Wagentüre auf. Sie fragte mich ein wenig erstaunt, ob ich das bei meiner Frau ebenfalls machen würde – und ich antwortete ihr ebenso erstaunt, dass dies für mich auch bei meiner Ehefrau eine Selbstverständlichkeit sei.

Meines Erachtens ist genau dies das Problem, welches ich mit unserer heutigen Zeit habe. Meine Vorstellung von Manieren ist möglicherweise so dermaßen aus der Mode gekommen, dass junge Menschen dieses Verhalten nicht mehr kennen und daher missinterpretierten.

Für mich ist es absolut selbstverständlich Jemandem die Türe aufzuhalten, einer älteren Person einen Sitzplatz anzubieten, oder anzubieten schwere Sachen zu tragen. Es ist für mich absolut selbstverständlich, für Schwächere einzustehen oder Menschen in Not zu helfen.

Leider ist das in unserer heutigen „Ellenbogengesellschaft“ scheinbar ein Zeichen für ein unangebrachtes Interesse, eine zwielichtige Absicht, oder im schlimmsten Fall für Schwäche.

Ein Gentleman tritt für einen anderen Menschen ein, hilft im Rahmen seiner Möglichkeiten, baut Menschen auf, leitet sie an, wenn er kann. Kurzum, im günstigsten Fall verlässt er einen Menschen in einem besseren Zustand, als er ihn angetroffen hat.

Einen Gentleman macht nicht sein Maßanzug aus, sondern die innere Stärke sich selbst treu zu bleiben, auch wenn die Welt sich um ihn herum vermeintlich zum Schlechteren verändert.

Ein Gentleman wird nicht durch seine Rolex definiert, sondern durch den Umstand, dass er sich für einen Menschen in Not einsetzt, auch wenn er hierdurch Nichts „gewinnt“.

Ein Gentleman hält einer Frau die Türe auf, auch wenn er kein sexuelles Interesse an ihr hat. Und ein Gentleman wird sich der Notwendigkeit stellen, dass er auch einen körperlichen Angriff auf einen schwächeren Menschen verhindern muss, auch wenn er hierbei selbst in Gefahr gerät.

Ein Gentleman wird seinen Standpunkt logisch verteidigen, ist jedoch nicht so verbohrt, dass er ihn nicht verändern kann, wenn er durch vernünftige Argumente überzeugt wird.

Ein Gentleman ist aber durchaus auch bereit sein seinem gegenüber dessen Standpunkt zu lassen. Ich kann mit meinem Gegenüber einig sein, dass man sich uneinig ist.

Ich bin kein Vegetarier, aber ich akzeptiere die persönliche Entscheidung auf tierische Produkte zu verzichten. Ich bin kein religiöser Mensch, aber ich akzeptiere die persönliche Entscheidung an Gott zu glauben, oder sich an religiöse Vorschriften halten zu wollen.

Ich helfe einer Frau in die Jacke oder den Mantel oder halte ihr die Wagentüre auf, ohne dadurch ihre Selbständigkeit in Frage zu stellen. Ich bestelle im Restaurant für meine Frau und mich, nachdem ich sie gefragt habe, was sie essen möchte.

Das mache ich nicht, weil ich denke sie sei dazu nicht in der Lage oder zu unselbstständig – dies ist für mich ein Zeichen von Aufmerksamkeit und Respekt meiner Frau gegenüber.

Ich möchte mit diesem Denkanstoß für mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit werben. Ich möchte mich für Toleranz und Respekt einsetzen. Ich würde mir wünschen die Menschen würden verstehen, dass Manieren uns zu Menschen machen – kein Besitz, keine Followerzahlen, keine Rücksichtslosigkeit.

Natürlich bin auch ich nicht perfekt – aber es hindert mich Nichts daran, stets an mir zu arbeiten und mich zu dem Menschen zu machen, der ich sein möchte.

Und vor meinem inneren Auge bin ich ein Gentleman – ohne Maßanzug oder Rolex….