Das Eisenbahn Ausbesserungs Werk in Schwerte. Eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald.
Eine Gedenkstätte, welche kaum bekannt ist.
Vor ein paar Wochen war ich beruflich in Schwerte unterwegs, auf dem Rückweg fiel mir ein Hinweisschild zur Gedenkstätte “KZ Buchenwald” auf.
“Buchenwald? Moment mal – das liegt bei Erfurt, da bin ich mir 100% sicher. Zumal ich diese Gedenkstätte schon besucht habe.
Dem musste ich auf den Grund gehen. Blinker rechts und den Hinweisen gefolgt.
Mich erwartete eine kleine Gedenkstätte, versteck in einem kleinen Wäldchen mit mehreren Hinweistafeln.
Ein Denkmal des Dortmunder Bildhauer Horst Wegener von 1985 zeigt fünf Häftlinge, welche wie Eisenbahnschwellen unter zwei 5 Meter langen Schienen liegen, zum Teil verwesend, im Schrei erstarrt, zum Teil stumm.
Bei meiner Recherche im Internet fand ich folgenden Text, der die Geschichte des Reichsbahn Ausbesserungs Werkes zusammenfasst.
Bereits bei den ersten Bauarbeiten ab Sommer 1914 wurden Fremdarbeiter und später auch Kriegsgefangene des 1. Weltkriegs beschäftigt. Ab 1939 wurden erneut in den Industrie- und Gewerbebetrieben des Ruhrtals insgesamt ca. 6.000 Fremdarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge beschäftigt. Das war mehr als 1/10 der damaligen Schwerter Bevölkerung.
Seit 1990 erinnert eine Gedenkstätte an die Menschen, die im EAW zur Arbeit gezwungen wurden. Diese Gedenkstätte ist an der Emil-Rohrmann-Straße in Schwerte zu finden; eine Hinweistafel am Zugang weist den Weg.
Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Hilfswillige und KZ-Häftlinge bei der Reichsbahn
6.000 “Fremdarbeiter” in Schwerte: Erster Einsatz schon Ende 1939
Mindestens 6.000 Zwangs- und Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge arbeiteten während des Zweiten Weltkrieges in den Industrie- und Gewerbebetrieben des Ruhrtals. Das sind weitaus mehr als ein Zehntel der damaligen Bevölkerung von Schwerte, Westhofen, Ergste und Holzen zusammen. Der Arbeitseinsatz der ersten Zwangsarbeiter erfolgte sehr wahrscheinlich bereits Ende 1939, Anfang 1940.
Während des Krieges gab es in Schwerte und den heute zur Stadt gehörenden Ortsteilen kaum einen Betrieb ohne Zwangs-, Zivilarbeiter oder Kriegsgefangene. Den größten Anteil ausländischer Arbeitskräfte während dieser Zeit stellte das damalige Reichsbahn-Ausbesserungswerk (RAW oder AW) Schwerte (Ruhr)mit rund 1.700 holländischen, italienischen und französischen Zivilarbeitern sowie – in der Phase der höchsten Belegung des KZ-Außenlagers – etwa 700 KZ-Häftlingen. Auch die Bahnmeisterei Geisecke hatte Arbeitslager.
Den größten Teil der in Schwerte, Westhofen, Holzen, Ergste und Hennen verteilten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen stellten mit knapp 1.700 Gefangenen die Russen, es folgten Franzosen sowie Polen.. Der Rest der ausländischen Arbeiter verteilt sich auf Holländer, Franzosen, Belgier, Italiener, Ukrainer und “Protektoratsangehörige”. Nach übereinstimmenden Angaben in allen vorliegenden Fragebogen wurden die Kriegsgefangenen nicht misshandelt..
Die französischen “Westarbeiter” waren privilegiert. Sie nahmen in der rassistischen Hierarchie der Nationalsozialisten unter den Zwangsarbeitern die Spitzenstellung ein. Ganz unten in der Hierarchie rangierten die sowjetischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter. Deren Lebensverhältnisse waren deutlich schlechter als die der Polen und im Allgemeinen unvergleichlich schlechter als die der Westarbeiter. Mit ein “Schlusslicht” der Kriegsgefangenenpyramide waren ab 1943 die italienischen Militärinternierten, die sog. “Badoglios”.
KZ-Außenposten Buchenwald am RAW Schwerte (Ruhr)
Mitten im Inferno des entfesselten Bombenkrieges, als die alliierten Bombergeschwader ihre schwersten und für die Zivilbevölkerung verlustreichsten Luftattacken gegen die Ruhrstadt flogen, wurde das Lager am RAW Schwerte (Ruhr) errichtet. Am 7. April 1944, nahm der KZ-Außenposten des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar am damaligen Reichsbahn-Ausbesserungs-Werk Schwerte (Ruhr) seine Arbeit auf. Das RAW wurde in den Unterlagen des KZ Buchenwald als “Rüstungsbetrieb” geführt. Es war eines von gegen Kriegsende 137 Außenlagern des KZ Buchenwald. Bei der Reparatur von für den Osten vorgesehenen Schadlokomotiven wurden im RAW unter Anleitung deutscher Vorarbeiter auch KZ-Häftlinge eingesetzt.
Die 100 Buchenwaldhäftlinge wurden in vom Reichsarbeitsdienst gebauten Einheitsbaracken untergebracht. Dort schliefen sie in dreistöckigen Etagenbetten. Das KZ-Außenlager war nach Angaben ehemaliger französischer Kriegsgefangener durch einen elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun gesichert. Darüber hinaus durch einen mit Maschinengewehren bestückten, Tag und Nacht besetzten Wachturm. Die Wachmannschaft setzte sich aus sog. “rumänischen Legionisten”, rumänische Freiwillige, die der SS angehörten, zusammen.
Nach aktuellen Recherchen lag der Außenposten des KZ Buchenwald außerhalb der Werksmauern direkt auf der anderen Seite der Werkmauer, wo sich jetzt die Gedenkstätte befindet. Zu erkennen ist in der Umfassungsmauer des Werkes noch der (mittlerweile zugemauerte) Durchgang, den die KZ-Häftlinge nutzen mussten, um ins Werk zu gelangen. Auf dem Plan ist die KZ-Außenstelle rechts (östlich des Werkes) zu erkennen. Oben links deuten 2 Pfeile den zugemauerten Durchgang an, der direkt ins Werk führte.
Das Fundament der Pfadfinderbaracke auf dem Gelände der Gedenkstätte Buchenwald wurde als Bodendenkmal in die Denkmalliste der Stadt Schwerte eingetragen als Symbol der Unterdrückung der Fremdarbeiter im damaligen Nazi-Deutschland.
RAW war Rüstungsbetrieb
Das RAW wurde in den Unterlagen des Konzentrationslagers Buchenwald als “Rüstungsbetrieb” geführt. Es war eines von zunächst 47, zum Jahresende 1944 bereits 76 Außenlagern. Im RAW wurden Schadlokomotiven repariert, die für Transporte im Osten vorgesehenen Maschinen frostgeschützt und funktionswichtige Teile mit Panzerplatten verkleidet. Für diese Arbeiten wurden die KZ-Häftlinge unter Anleitung deutscher Vorarbeiter eingesetzt.
Durch den kriegsbedingten Mangel an Arbeitskräften wurde im Reichsbahn-Ausbesserungswerk im Frühjahr 1942 für alle Mitarbeiter die 62-Stunden-Woche eingeführt, die zwei Jahre später, 1944, auch für die KZ-Häftlinge galt. Die Gefangenen arbeiteten, ebenso wie die übrige RAW-Belegschaft im Reparaturbetrieb, in Wechselschicht. Die Tagschicht ging von 7 Uhr bis 18.30 Uhr mit einer Mittagspause, Arbeitsbeginn der Nachtschicht war 18.30 Uhr, Arbeitsende 5.50 Uhr. Sonntags wurde mit verringerter Belegschaft nur in der Tagschicht von 7 bis 12 Uhr gearbeitet.
Unter den Gefangenen, die größtenteils als Häftlings-Hilfsarbeiter geführt wurden, herrschte Fluktuation.
“Ostarbeiter” hatten hohe Sterberate
Das Leben gab ihnen keine Chance: Von den etwa 1.700 Russen, die während des Krieges in Schwerte zur Zwangsarbeit gezwungen wurden, starben in der Zeit von 1941 bis 1945 195 Menschen. In diesen dürren statistischen Angaben, hinter denen sich tragische Schicksale verbergen, ist die Zahl möglicher Todesopfer unter den 700 KZ-Häftlingen der KZ-Außenstelle Buchenwald des ehemaligen Reichsbahn – Ausbesserungswerk Schwerte (Ruhr) aufgrund fehlender Unterlagen nicht enthalten. Die tatsächliche Zahl der Toten unter den russischen Gefangenen und Zwangsarbeitern dürfte sehr wahrscheinlich höher liegen.
Die in Gefangenschaft gestorbenen Russen waren jung, die meisten im Alter um 20 Jahre. Der jüngste unter den Toten war 17 Jahre alt, als er, fern von Eltern, Geschwistern und Verwandten, in fremder Erde begraben wurde.
Unter den ausländischen Arbeitern starben während des Krieges ferner 23 Polen, zwei Belgier, ein Holländer, ein Franzose und ein Italiener. Diese Zahlen verdeutlichen die miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen der sog. Ostarbeiter, die in der NS-Rassenideologie am untersten Ende der Hierarchie angesiedelt waren.
Die Lager-Auflösung und Kriegsende
Der KZ-Außenposten am Reichsbahn-Ausbesserungswerk Schwerte (Ruhr) wurde nach Unterlagen der Gedenkstätte Buchenwald mit der Rückführung von 201 Gefangenen am 15. Januar 1945 aufgelöst.
Über Zu- und Abnahme der Lagerstärke im Zeitraum von April 1944 bis Februar 1945 geben Stärkemeldung der Außenkommandos und Arbeitsstatistik ein gutes und umfassendes Bild. Am 9. April lag die Appellstärke in Schwerte bei 100 Mann, am 3. August bei 447, am 29. September bei 701, am 19. November bei 670 Männern. Ende 1944 weist die Arbeitsstatistik für Schwerte noch eine Gesamtstärke von 174 Gefangenen aus.
Der Rücktransport der Gefangenen nach Buchenwald erfolgte teilweise in Güterzügen, teilweise aber auch möglicherweise zu Fuß in Trupps von rund 100 Mann.
Im Frühjahr 1945 erzitterte Schwerte unter schweren Flächenbombardements der alliierten Luftstreitkräfte. Bei dem Bombenangriff am 11. April 1945 beschädigten 15 Sprengbomben die Schmiede, das Eisenlager, das Kesselhaus und eine Krananlage im RAW. Dabei wurden zehn Menschen getötet und 40 verletzt. Einen Tag später, am 12. April, wurde das Werk von den Amerikanern besetzt.
Der Krieg war zu Ende.
Wenn ihr euch ebenso für Geschichte interessiert und in der Nähe seit, dann empfehle ich euch hier halt zu machen:
Emil-Rohrmann-Straße 1B, 58239 Schwerte
Und nun macht euch rausausdemhaus und genießt das Wetter 😊